Veröffentlichungen
2009 - Veröffentlichung eines Artikels in der Wochenzeitung Jungle-World zum Thema Behindertenpolitik in Deutschland
2009 - Erweiterte Neuausgabe mit
Illustrationen „Der schöne Schein des Lächelns“ – Autobiografische
Erzählungen; Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn 2009.
2007 - „Der schöne Schein
des Lächelns“ – Autobiographische Erzählungen; Fürst
Donnersmarck-Stiftung 2007.
2004 - Teilnahme und 4. Platz beim Fotowettbewerb ‚Berlin durch die
Hintertür’; veranstaltet von der Fürst Donnersmarck Stiftung und der
Berliner Zeitung.
2004 - Mitwirkung an dem Erzählband ‚Eisbein in Alanya. Erfahrungen in
der Vielfalt deutsch-türkischen Lebens’ von Ömer Erzeren; erschienen bei
der Edition Körberstiftung 2004.
2003 - Teilnahme am bundesweiten Literaturwettbewerb zum Europäischen
Jahr der Menschen mit Behinderungen veranstaltet von der Bertelsmann AG
und der Bundesregierung. Veröffentlichung der Kurzgeschichte ‚Wie fühlt
man sich als Krüppel?’, erschienen in der Anthologie ‚Nehmt mich beim
Wort’; Bertelsmann-Verlag 2003.
Leseproben:
Bei den Fischen
abgestellt - von Marie Gronwald
In Integrationsschulen werden Menschen mit
Behinderungen als selbstverständlicher Bestandteil einer Gruppe
behandelt. Wenn Mitschüler von der Lehrerin zum
»Rollstuhl-Schiebe-Dienst« verpflichtet werden, geht aber
irgendetwas schief.
Die ersten vier Jahre meiner Grundschulzeit
waren schön, familiär und freundschaftlich. Wir waren nur 15
Kinder in der Klasse und kannten uns fast alle schon aus dem
Integrationskindergarten. Weil der Kindergarten mit der
Grundschule kooperierte, kannte uns auch unsere Lehrerin schon
sehr lange. Am Anfang waren wir fünf Schüler mit Behinderung und
zehn ohne. Nach der Schule sind wir immer zusammen in einen
Schülerladen gegangen.
Aber nach vier bis fünf Jahren splitterte die
Klasse langsam auseinander. Der Schülerladen hatte sich
inzwischen aufgelöst, da sich immer mehr meiner Freunde
abgemeldet hatten, weil sie sich zu alt für die Betreuung
fühlten. Auch in der Schule spürte man die Veränderung. Wir
waren nicht mehr so eng verbunden wie früher, und das wirkte
sich natürlich auch auf die Struktur in der Klasse aus.
Mit der Zeit gab es immer mehr Streitigkeiten
und Probleme. Immer öfter wurde der Sitzkreis nicht nur deshalb
einberufen, um die Stunden zu planen oder die
Wochenend-Erlebnisse auszutauschen, sondern um Probleme zu
besprechen, die wir untereinander hatten. Oft ging es in diesem
Sitzkreis um unseren Klassenkasper, aber leider auch immer
häufiger um mich. Ich wurde zwar in meinem Rollstuhl von meinen
Mitschülern noch aus dem Klassenraum geschoben, jedoch immer
öfter an der Mauer mit der Fischbemalung abgestellt.
Der vollständiger Artikel ist nachzulesen
unter:
http://jungle-world.com/artikel/2009/33/37371.html
Hilfe, die Vampire kommen! - von
Maire Gronwald
Tzzss!
Tzzss! Tzzss! - Ich schließe die Augen. Bitte nicht! Warum immer ich? Es
ist doch noch viel zu kalt hier in Berlin! Bitte, bitte, bitte nicht! Ich versuche meine
Hände zu bewegen. Sie sind starr und unbeweglich. Ich will, dass das,
was sich soeben auf meine Hand gesetzt hat, verschwindet. Ich sitze doch
erst seit zehn Minuten vorm Haus im Vorgarten, um mich ein bisschen
vorzubräunen, denn die Sonne scheint trotz der nur 18 Grad Temperatur
angenehm warm. Warum muss das ausgerechnet dann passieren, wenn ich mal
draußen in der Sonne sitze? Meine Assistentin wird mich in zwanzig
Minuten wieder ins Haus bringen. Heute ist der letzte Abend mit
Assistenz, denn im Urlaub werde ich drei Wochen lang eine assistenzfreie
Zeit haben und mal wieder von meiner Mutter versorgt. Ich freue mich
schon sehr darauf. Es wird kühler. Ich spüre den Wind an meinem Arm.
Oder ist das etwa schon die Stechmücke? Ich halte den Atem an. Erst in
zwanzig Minuten, da kann alles schon zu spät sein! Ich muss unbedingt an
etwas anderes denken. Vielleicht wird es dann ja gar nicht so schlimm.
Urlaub in Thailand ja genau das ist gut! Tzzss... In 15 Stunden werde
ich mit meinen Eltern in den Urlaub fliegen. Nach Thailand. Ich freue
mich schon wahnsinnig: hervorragendes Essen, äußerst angenehme
Temperaturen und freundliche Menschen. Drei Wochen Entspannung: lesen,
schlafen, beobachten (und wahrscheinlich auch beobachtet werden),
erleben und essen, einfach köstlich, beinah göttlich! Mit neun Jahren
war ich schon mal in Thailand. Meine Großeltern
hatten uns eingeladen, denn mein Großvater hatte früher dort eine Zeit
lang gearbeitet. Es war der beeindruckendste und schönste Urlaub, den
ich bis jetzt erlebt habe. Und ich bin schon sehr viel und an die
unterschiedlichsten Orte gereist. Thailand wird bestimmt auch diesmal
wieder wunderschön, wie ein Traum! Nur auf einen Erlebnis
könnte ich, wie in jedem Sommerurlaub oder bei jeder Reise in wärmere
Gebiete, verzichten: auf lebende Vampire. Für andere Leute sind sie nur
eine lästige Plage. Für mich sind sie schreckliche, penetrante, Blut
saugende Ungeheuer, gegen die ich beinah immer machtlos bin, denn... sie
nehmen mich ins Visier - riechen wahrscheinlich schon von Weitem mein
süßes Blut, beziehungsweise, meinen süßen Schweiß - nähern
sich langsam, wenn sie merken, dass ich regungslos wie ein spitzer
Felsblock bin und fliegen dicht an meinem Ohr vorbei, mit diesem
furchtbaren Geräusch in unerträglich hoher Frequenz, das immer lauter
wird und mich vollends erstarren lässt: Tzzzssss! Plötzlich ist es sehr
still. Doch dann ist es bereits zu spät: Die Mücke kitzelt mich. Oder
ist es vielleicht doch nur der Wind, der die Härchen meines Arms leicht
hin und her bewegt? Der Wind wäre nicht sichtbar, greifbar, würde nicht
stehen bleiben, an einer Stelle verharren, mich nicht angucken. Die Mücke hat sich auf
meinen Arm gesetzt; direkt vor meinen Augen. Auf eine dicke, blaue Ader,
die durch mein Erschrecken und die Spastik nun deutlich hervortritt.
Sie kitzelt mich. Ich strecke mich ruckartig nach hinten. Mein Arm geht
mit. Die Mücke auch. Auf ihm. Sie ist immer noch mit Tasten beschäftigt,
gelassen und furchtlos.
...
Mitteilungen des Westkreuz
Druck- und Verlaghauses Berlin/Bonn Nr. 1 2008
Vorabdruck einer Geschichte aus dem Buch "Der
schöne Schein des Lächeln
Der Sauerstoffaufzug - von Marie Gronwald
Ein kleiner gedanklicher Ausflug in eine
barrierefreie Welt, wie sie in 50 Jahren aussehen könnte
Schon als Kind wollte ich
Schriftstellerin werden, so berühmt, wie Astrid Lindgren, die
übrigens im letzten Jahr ihren hundertsten Geburtstag gefeiert
hätte, aber das nur nebenbei erwähnt. Ich dachte mir Geschichten
aus. Darunter war auch eine über ein Rollstuhldorf, ein Dorf,
ungefähr so groß wie ein typisches Brandenburger Kleinstadtdorf,
indem alle Bewohner im Rollstuhl saßen. Das ganze Dorf war
barrierefrei gebaut worden. Es gab überall Rampen und abgesenkte
Bordsteine, kein Kopfsteinpflaster und funktionstüchtige, geräumige
Aufzüge. Aber letztere waren in der Architektur meines Dorfes, nur
vereinzelt zu finden, da ohnehin beinahe jedes Gebäude so flach
gebaut war, dass Aufzüge nicht nötig waren. – Wie wäre so eine Welt,
so ein Dorf oder eine Stadt, in der es keine Barrieren für Menschen
mit Behinderungen gibt, wirklich?
Ich werde im Folgenden ein kleines
Gedankenexperiment, eine kurze Reise in diese Welt unternehmen, die
es noch nicht gibt, aber vielleicht einmal geben könnte. Wenn Sie
als Leser Lust haben, mich auf dieser Reise zu begleiten, sind Sie
nun herzlich eingeladen, weiter zu lesen.
Wir befinden uns nun im Jahr 2058, es ist
Winter, Montagmorgen und auf Grund der Klimaerwärmung so warm wie
früher im Frühling. Ich bin in unserem Gedankenexperiment immer noch
Studentin, was hoffentlich in fünfzig Jahren nicht der Realität
entsprechen wird, aber ich denke, es ist leichter, mir auf diese
Weise zu folgen. Sie begleiten mich heute ein Stück durch meinen
Tag. Ich bin auch in jener Welt auf öffentliche Verkehrsmittel
angewiesen, denn der Fahrdienst der Stadt wurde aus Kostengründen
und als überflüssiger Posten schon vor Jahren abgeschafft, aber ich
habe ihn auch damals schon ungern und selten genutzt. Sie fahren
also mit mir im Bus und der U-Bahn in die Universität. Im Bus und
auf den Straßen, sowie in öffentlichen Gebäuden sind akustische und
taktile Leitsysteme für Blinde und Gehörlose installiert. Der
Aufzug, den wir benutzen, ist aus Glas, das streifenfrei geputzt
ist. Er ist leer und fährt deswegen schnell auf den Bahnsteig, da er
wegen vieler anderer vorhandener Aufzüge nicht mehr so häufig
frequentiert werden muss. Auch der in ihnen vor Jahren noch
vorherrschende leichte bis unerträgliche Uringeruch hat sich mit den
Jahren, in denen diese Welt existiert, in Luft aufgelöst. Die U-Bahn
hat die Lücke zwischen Bahnsteigkante und Bahn durch eine kleine
elektrisch ausfahrbare Rampe geschlossen und so gelingt es mir, ohne
Erschütterung in die U-Bahn einzusteigen. In der Bahn sind auf dem
Boden Verankerungen eingelassen, die mich in meinem Rollstuhl fest
und sicher stehen lassen.
Der vollständiger Artikel ist nachzulesen unter:
Mondkalb - Zeitschrift für
das organisierte Gebrechen
http://awan.awan.de/mondkalb2/index.php?id=40